
Ich bin gespannt, was du berichten wirst – ich war total überrascht, wie unterschiedlich die Menschen waren, die äußerlich das gleiche unmittelbare Ziel (Gründung OV) hatten wie ich.
Ein Eindruck, der sich durch das ganze weitere Politikmachen zog: Im ehrenamtlichen Bereich ist Kommunalpolitik ein Ort der Zusammenkunft unterschiedlichster Menschen. Während nach meinem Gefühl in den höheren Ebenen der Berufspolitik wieder eine Selektion stattfindet, die für ein bisschen mehr Homogenität oder zumindest Berechenbarkeit innerhalb der Parteien, aber oft auch über Parteien hinweg sorgt, kommen ganz unten wirklich so unterschiedliche Menschen zusammen, wie man es sonst nicht oft findet.
Die Mischung mag je nach Partei und deren typischer Wählerschaft variieren, aber eine Mischung ist es immer. Das kennen viele allenfalls noch aus Schule, am ehesten noch der Grundschule – und das ist sehr lange her. Während man sich sonst hauptsächlich in seinen gefundenen Milieus bewegt und weitestgehend mit selbst gewählten Beziehungen umgibt, prallen hier Welten aufeinander:
- Unterschiedliche berufliche Hintergründe (Pädagogen und Zahnärztinnen, Medienschaffende und Jura-Studierende, Aussteigertypen und Karrieristen)
- Unterschiedliche Generationen (Alt-68er, Babyboomer, Generation Y – und inzwischen längst auch Z)
- Radikaler Fundamentalismus hier, grenzenloser Opportunismus dort – dazwischen Pragmatismus, teils verlässlich, teils tagesformabhängig.
- Perfektionistische Formalisten und Feierabend-Anarchos
- Parteisoldatentum trifft auf ausgeprägten Individualismus und Distinktionsbedürfnis
- Extrovertierte und Introvertierte – und viele Täuschungen darüber, wer sich in welchem Lager verortet
- Ankündigungsweltmeister*innen und stille Fleißbienen, Teamplayer und Egomanen/-innen
- Glücksritter*innen, die auf eine steile politische Karriere mit gutbezahlten Mandaten hoffen ebenso wie Verschwörungstheoretiker*innen; Leute, die für ein Projekt vor Ort brennen und in deiner Partei ein Vehikel sehen, das durchzusetzen genauso wie Leute, denen es vor allem um das soziale Element des Zusammenkommens und Beieinanderseins geht.
- Alteingessene, Zugezogene und Leute auf der Durchreise
Diese und weitere denkbare Unterscheidungen lassen sich beinah beliebig kombinieren. Das von mir durchaus gepflegte Schubladendenken stößt bei der Vielfalt der Aktiven und ihrer Motivationen in Kommunalpolitik an Grenzen – und da haben wir über die klassischen politischen Kategorien (rechts/links, konservativ/progressiv, …) noch gar nicht gesprochen, die noch viele weitere Dimensionen zu dem Knäuel bringen.